Jockel – ein Leben für die Pfadfinder

Erfüllend seinen letzten Wunsch, wurde Jockel in Zusammenarbeit vom Bestattungsinstitut Kahl und „Tree of Life Baumbestattungen“ baumbestattet. (Infos zu dieser Bestattungsform findet ihr unter https://www.tree-of-life-baumbestattungen.de)

Dieser besondere Baum wird am Samstag den 24.06.2023 um 16:30 Uhr auf dem Jugendzeltplatz Sauloch eingepflanzt. Gemeinsam möchten wir einen Ort der Erinnerung schaffen, an dem wir Jockel in unseren Herzen tragen können. Der Jugendzeltplatz Sauloch bietet einen idyllischen Rahmen für diese Zeremonie. Jockels Wunsch war es hier bei seinen Pfadfindern, die er so liebte, seinen letzten Platz zu finden.

Der Jugendzeltplatz Sauloch war für Jockel und Schorsch eine Herzensangelegenheit. Anlässlich des 100 Geburtstag von Schorsch wollen wir neben Jockels Baum auch einen Baum im Gedenken an Schorsch pflanzen. So schließt sich der Kreis für beide.

„Ihr seid nicht mehr da wo ihr wart, aber ihr seid überall wo wir sind“

 

Nachruf der Coburger Pfadfinder, Pfadfinder Fördererkreis e.V. und der Pfadfinder Förderer Stiftung

Am 06.09.2022 verstarb Joachim „Jockel“ Müller nach langer schwerer Krankheit in Coburg. Nachdem sein Sohn Alexander die Pfadfinderinnen und Pfadfinder in Coburg und darüber hinaus in den ersten Septembertagen mit einen typischen Ausspruch von Jockel „Ohne Cola kann ich nicht kämpfen“ über den sich rapide verschlechternden Gesundheitszustand und das bevorstehende Ende „seines Kampfes“ informierte, wurde Jockel am späten Nachmittag des 06. September in Gegenwart seines Sohnes von seinen Leiden erlöst. Die Nachricht über Jockels Tod traf uns daher nicht unvorbereitet, als wir einen Abschnitt aus der Edda, dem Buch der skandinavischen Götter- und Heldensagen, der bereits der Totenspruch seiner Mutter gewesen war, am Dienstagabend erhielten:

Besitz stirbt, Sippen sterben,

Du selbst stirbst wie sie;

Eins weiß ich, das ewig lebt:

Des Toten Tatenruhm.

 

 

Und an Taten war das Leben von Jockel reich. Daher folgt dieser Nachruf auch in weiten Teilen einem Lebenslauf, den sein Sohn in Ausgabe 15 der Zeitschrift „Wegzeichen“ des Pfadfinderbundes Weltenbummler e.V. mit dem Titel „Jockel“ anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande am 21.01.2008 zusammengestellt hat. Die vollständige Ausgabe ist nach wie vor unter https://pbw.org/download/Publikationen/Wegzeichen/wegzeichen-15.pdf einsehbar.

Jockel wurde als Joachim Müller als erstes von zwei Kindern von Georg „Schorsch“ und Hannelore Müller am 17.01.1950 in Coburg geboren. Sein Vater war einer der Wiedergründer der Coburger Pfadfinder nach dem zweiten Weltkrieg und Mitinitiator des Stadtjugendrings Coburg. Jockel trat mit sechs Jahren in den Stamm Wilde Gesellen des Bundes Deutscher Pfadfinder (BDP) ein. Hier durchlief er zwei Jahre die Wölflingsstufe, bis er am 26.06.1958 feierlich in die Sippe Elche aufgenommen wurde. Dort erlebte er seinen ersten Lauterburglauf und viele Fahrten ins In- und Ausland. Als Meutenführer und Helfer im Stamm erlebte er die Pfadfinderei Mitte der 1960iger Jahre. Ende dieses Jahrzehntes startete Jockel seine Karriere bei der Polizei und kehrte aufgrund aktueller Entwicklungen im Bund den aktiven Pfadfindern vorübergehend den Rücken. Die Pfadfinderarbeit in Coburg schlief in den kommenden Jahren fast komplett ein. Jockel hatte sich aber nie völlig aus der Pfadfinderei zurückgezogen. Immer wenn es ihm dienstlich möglich war, beteiligte er sich an den Arbeitseinsätzen, Aktionen und Großfahrten des 1968 gegründeten Fördererkreises Coburger Pfadfinder e.V.. Damals stand im Verein vor allem der Bau des Pfadfinderlandheims Stiefvater im Mittelpunkt. In diesen Jahren hatte Jockel mit der – für junge Polizeibeamte üblichen – Tournee durch Bayern begonnen. Zuerst landete er wie die meisten Dienstanfänger in München. Durch den üblichen Schichtdienst hatte er mehrere Tage hintereinander frei und fuhr dazwischen immer wieder nach Coburg. Da seine Schwester Heidi sich zu Beginn der 1970iger Jahre beim damaligen Mädchenstamm Silberdistel engagierte, half er dort gelegentlich mit und übernahm 1974 den Posten als Stammesführer, als Heidi aus beruflichen Gründen aufhören musste. Im selben Jahr gründete er zusätzlich mit Kollegen, die er mit der Pfadfinderidee angesteckt hatte, in München den Stamm Goten im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP). Rückblickend war dies wahrscheinlich der Moment, in dem der 24-Jährige zu Jockel wurde, wie wir ihn alle kennengelernt haben. In München ein Stamm, in Coburg ein Stamm, das war nicht genug – er wollte und konnte (immer) mehr. Der Stamm Silberdistel (Mädchen) und der Stamm Archäopteryx (Jungen) bildeten damals den Horst Coburg. 1975 auf der Sommergroßfahrt kam es dann zum Streit innerhalb und zur Auflösung des Horstes. Jockel engagierte sich nun vermehrt in Coburg und schnell entstanden wieder die alten Stämme wie Wilde Gesellen, aber auch neue Stämme wie Feuerreiter und Neptun in Coburg, Schwalben und Freibeuter in Creidlitz, Verlorene Rotte in Scheuerfeld sowie Korsar in Rödental. Zusammen bildeten sie den Horst Rebellen im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP). Ende der 1970iger Jahre wurde Jockel zur Grenzpolizei nach Coburg versetzt. Ab diesem Zeitpunkt konnte er noch mehr für die Coburger Pfadfinder bewegen. Es wurden Schaulager auf dem Coburger Marktplatz eingeführt. Sommergroßfahrten führten ihn und die Pfadfinderinnen und Pfadfinder in diesen Jahren in die Türkei, nach Marokko, Irland, Schottland und Frankreich. Die Coburger Pfadfinder waren schon immer Anhänger einer traditionellen Pfadfinderei nach den Grundsätzen von Baden-Powell, dennoch oder gerade deswegen wuchsen die Pfadfindergruppen. 1980 waren es schon über 400 Aktive, diese Erfolge blieben nicht unbemerkt. Im Landesverband Bayern des BdP hatten sich über die Jahre neue Strömungen entwickelt. Jockel vertrat hierzu die Auffassung, dass in Coburg Probleme gelöst werden, während man sie in der Münchner Zentrale nur diskutieren würde. So kam es zum Bruch und im Dezember 1981 entstand unter Jockels Federführung der Pfadfinderbund Bayern e.V. (PBB). Jockel hatte seine Aufgabe gefunden: einen Bund zu schaffen, der die Werte aus der Zeit des BDP nicht aufgibt und dennoch die Probleme der Zeit lösen kann. Hierzu wurde immer viele verschiedenartige Aktivitäten durchgeführt. Die erste Bundesfahrt ging nach Griechenland, ein erstes Sängertreffen fand auf der der Altenburg statt.

In diese Zeit fallen auch die großen Veränderungen im Privaten, seine Hochzeit mit Heike „Kusch“ im Frühling 1980 und die Geburt seines Sohnes Alexander im April 1981.Nicht nur mit Aktionen, sondern auch organisatorisch prägte Jockel den aufstrebenden Bund. Hierzu zählt die Aufnahme in den Deutschen Pfadfinder Verband (DPV). Bereits nach zwei Jahren zog sich Jockel sich in die zweite Reihe zurück, denn schließlich war einer seiner Leitsätze: „Der beste Gruppenführer sei der, der sich überflüssig macht“. Jockel konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung des Bundes. Hierfür waren in seinen Augen Publikationen von zentraler Bedeutung. Das Schrifttum spielte in all den folgenden Jahre immer eine große Rolle für ihn. Der „Führerrundbrief“ als Leitfaden für Stammesführer, der Wegweiser – die Bundeszeitung, das Türmle – Mitgliederzeitung der Coburger Stämme und die Bausteinreihe – Bücher über pädagogische und pfadfinderische Grundlagen prägte er damals und über viele Jahre hinweg als Chefredakteur oder Mitarbeiter. Die Abenteuerlust führte Jockel als Fahrtenleiter und viele Pfadfinderinnen und Pfadinder mit ihm durch ganz Europa, Amerika, Kanada und Australien.

Auch in seiner eigenen Einschätzung war eines der prägendsten Ereignisse für Jockel, aber auch für den PBB, der Wegfall der innerdeutschen Grenze 1989 und die deutsche Wiedervereinigung 1990. Schon wenige Tage nach Grenzöffnung knüpfte er Kontakte in Thüringen und Sachsen, um dort wieder die Pfadfinderei aufzubauen. Durch viel Engagement und sein großes Motivationsgeschick schaffte es Jockel hierfür Mitstreiter zu finden. Seit Sohn beschrieb dies mit „jede freie Minute verbrachte er dort“. Bereits beim Bundeslager 1990 in Gundelsheim waren die ersten Gruppen aus den fünf neuen Bundesländern vertreten. In Sonneberg, Friedrichroda, Waldau, Pößneck, Suhl und Leipzig entstanden Stämme, und wenn dort mal ein Gruppenführer fehlte, dann fuhr Jockel einfach selbst hin und machte die Gruppenstunden.

Unter dem Motto seines Vaters „Pfadfinderei braucht einen Raum“, der in diesen Jahren Vorsitzender des Fördererkreises war, sollten neue Pfadfinderhäuser und Zeltplätze in den neuen Bundesländern entstehen. Mehr als 200 Objekte wurden besichtigt, viele Verhandlungen geführt und schließlich solche Objekte auch erfolgreich errichtet, wie beispielsweise das Pfadfinderheim Kühles Tal. Diese Leistungen bleiben nicht unbemerkt und viele Pfadfindergruppen aus ganz Deutschland wollten nun Mitglied im Pfadfinderbund Bayern werden. So reiste Jockel nun nicht mehr nur durch die neuen Bundesländer, sondern jetzt durch die alten, um Gruppen und Strukturen aufzubauen – von Garmisch-Partenkirchen bis Kiel, von Steinhagen bis Johanngeorgenstadt. Nach der dadurch unausweichlich gewordenen Namensänderung des Pfadfinderbunds Bayern in Pfadfinderbund Weltenbummler (PbW) wurde Jockel wieder und somit das zweite Mal der erste Bundesführer – des gleichen Bundes. Bis 1998 machte er den ehemaligen kleinen regionalen Bund aus Bayern zu einer festen Größe der deutschen Pfadfinderlandschaft. Diese Erfolgsgeschichte des PbW hörte aber nicht auch auf, als er das Amt des Bundesführers abgab. Jockel übernahm in den folgenden Jahren viele verschiedene Ämter, auf allen Ebenen des Bundes. Er wurde zum Vordenker – dies blieb er bis in die letzten Jahre seines Lebens hinein. So entwickelte er zum Beispiel über Jahre das Ferienwerk Fahrten-Ferne-Abenteuer (FFA), welches später in eine gemeinnützige GmbH überführt und im Rahmen der Reform des PbW (Bund2020) in die Selbstständigkeit entlassen wurde.

Seit der Jahrtausendwende hatte Jockel sich besonders im Pfadfinderfördererkreis engagiert. Er führte diesen als 1. Vorsitzender von 2002 bis 2021. In diese Jahre fällt der Erwerb und der Bau neuer „Hütten und Häuser“, zum Beispiel das Georg-Müller-Haus im Sauloch bei Rödental und die Absicherung des Erreichten in Form einer Stiftung – der Pfadfinder Förderer Stiftung in Coburg. In den 2010er Jahren übernahm der Verein noch zusätzlich einen Pfadfinderzeltplatz in der Tarnschlucht in Frankreich, der sich insbesondere für Kanuaktivitäten und ausgedehnte Haijks anbietet. Bis ins letzte Lebensjahr war er im Pfadfinderfördererkreis e.V. und der Pfadfinder Förderer Stiftung in Coburg aktiv, zuletzt wurde er Ende 2021 zum Ehrenvorsitzenden des Pfadfinderfördererkreises ernannt. Sein Sohn Alexander wuchs in diese Pfadfinder-Welt hinein und führt sein Werk seither fort.

Ein weiteres Hauptaugenmerk von Jockels Aktivitäten im Bund war über Jahrzehnte die Ausbildung von Gruppenführerinnen und Gruppenführer, die Generationen von Pfadfinderinnen und Pfadfindern durchliefen. Der Schwerpunkt auf die Weitergabe von Wissen an und die Ausbildung der nächsten Generation wurde in der Zeit seiner zweiten Ehe mit Jasmin, die er im Sommer 2000 heiratete, nochmals verstärkt. Parallel bildete er sich beruflich zum PAKET-Trainer der Polizei weiter. Im November 2001 wurde sein zweiter Sohn Maximilian geboren.

Es gibt wahrscheinlich nur wenige, die einen anderen der vielen Leitsätze von Jockel noch nie gehört haben: „Aus den Steinen die jemand in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen“. Dies tat Jockel in all den Jahren mit Ausdauer und Hingabe – Aufbauen – wörtlich, organisatorisch und ideell im Herzen vieler junger und heute nicht mehr so junger Menschen. Jockel führte ein Leben für die Pfadfinder bis zum Ende und darüber hinaus.

Jockel hinterlässt aus erster Ehe mit Heike Müller („Kusch“), geborene Reß, seinen Sohn Alexander („Alex“), Schwiegertochter Eva, geborene Scheibe, und die beiden Enkel Friedrich und Theodor, sowie aus zweiter Ehe mit Jasmin Müller-Alefeld seinen Sohn Maximilian und  Jockels Schwester Heidrun Geyersberg. Seinen Hinterbliebenen gilt unser Mitgefühl.